Stellungnahme

Stellungnahme des BVKJ zum Cannabis-Gesetz

Stellungnahme Gesetzentwurf der Bundesregierung


Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) BT-Drucksache 20/8704


Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Cannabislegalisierung stoppen, Gesundheitsschutz verbessern – Aufklärung, Prävention und Forschung stärken BT-Drucksache 20/8735

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen lehnt die Freigabe von Cannabis in der Ausgestaltung des Gesetzentwurfes ab. Die Legalisierungspläne der Bundesregierung führen aus unserer Sicht zu einer Gefährdung der psychischen Gesundheit und der Entwicklungschancen junger Menschen in Deutschland. Das haben wir in einer [gemeinsamen Stellungnahme mit anderen Fachverbänden zum Referentenentwurf](https://www.bvkj.de/politik-und-presse/nachrichten/323-2023-07-24-gemein-same-stellungnahme-zum-cannabis-gesetz) bereits im Juli 2023 deutlich gemacht. Daran halten wir nach wie vor fest.

Die schädlichen Auswirkungen eines früh beginnenden und regelmäßigen Cannabiskonsums bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind medizinisch hinreichend bekannt. Es bedarf daher eines wirklich wirksamen Jugendschutzes. Die beklagenswerte Zunahme des Cannabiskonsums unter deutschen Jugendlichen in den zurückliegenden Jahren zeigt, dass die bisherigen Maßnahmen und Präventionsangebote nicht ausreichen.

Wir erkennen an, dass Kinder und Jugendliche auch im Sinne des vorliegenden Gesetzentwurfes weiterhin keinen Cannabis besitzen und konsumieren dürfen. Die verpflichtende Teilnahme an Frühinterventionsprogrammen anstelle einer strafrechtlichen Verfolgung ist aus Sicht des BVKJ ein richtungsweisender Ansatz.

Zusammenfassend geht der BVKJ davon aus, dass die Freigabe von Cannabis für Erwachsene, wenn auch nicht so tendiert, schwerwiegende negative Auswirkungen auf Jugendliche und Heranwachsende haben wird.

Positive Ansätze des Gesetzentwurfs bezüglich des Jugendschutzes fallen angesichts des Risikos eines deutlich ausgeweiteten Marktes und der Normalisierung von Cannabiskonsum in aller Öffentlichkeit nicht ins Gewicht. Wir können nicht erkennen, dass die vorgesehen Schutzmaßnahmen durchsetzbar sind, sondern gehen im Gegenteil davon aus, dass sie ins Leere laufen werden, weil sie weder vom Aufwand noch von den Personalressourcen her kontrollierbar und durchsetzbar sein werden.

Insgesamt sehen wir die im Gesetzentwurf vorgesehen Maßnahmen in keiner Weise als hinreichend an, um unsere Bedenken bezüglich der zusätzlichen Gefährdung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen durch die Freigabe von Cannabis für Erwachsene zu zerstreuen.

Aus Sicht des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ) sollte bei einer Reform der Cannabis-Gesetzgebung die bessere Verwirklichung des Präventionsgedankens im Mittelpunkt stehen. Das heißt (die 5 „Es“): Education, Enforcement, Economy, Engineering und Evaluation.

Education: Die Aufklärungsarbeit insbesondere in den Schulen (Peer-Education), aber auch über soziale Medien/Influencer sollte verbessert werden. Dabei sollte der Fokus auf der Stärkung der Resilienz von Jugendlichen liegen.

Wir begrüßen, dass der Gesetzentwurf klar benennt, dass „Legalisierung von Cannabis (…) gesundheitliche Risiken, vor allem für Heranwachsende und junge Erwachsene“ birgt und dass daher „deutlich erhöhte Informations- und Aufklärungsbedarfe“ der Bürgerinnen und Bürger zum Thema Cannabis konstatiert werden. Wir können aber in dem Gesetzentwurf keine finanzielle Stärkung der Sucht- und Drogenhilfe identifizieren. Die wichtigen Themen Peer Education und aufsuchende Sozialarbeit sehen wir nicht verwirklicht. Aus Sicht des BVKJ kann die Vorsorgeuntersuchung J1 eine wichtige Rolle bei der Identifikation von persönlichen und familiären Risiken spielen. Eine Stärkung der ärztlichen Präventionsarbeit findet jedoch nicht statt.

Enforcement: Verstöße, insbesondere gegen die Weitergabe von Cannabis an Kinder und Jugendliche, müssen geahndet werden. Auch die Regelungen zur Weitergabe von Alkohol an Kinder und Jugendliche sollten im Zuge einer Reform dringend verschärft und stringenter verfolgt werden. Dies ist bisher im Gesetzentwurf noch nicht ausreichend berücksichtigt. Wir begrüßen die Warnhinweise auf Verpackungen und das Verbot des Konsums im Beisein von Jugendlichen bzw. im Umkreis von 200 m um Kitas, Schulen etc.

Wir empfehlen darüber hinaus, die Öffnungszeiten von Cannabis-Verkaufsstellen deutlich zu begrenzen und ihnen auch den Verkauf von Alkohol und Zigaretten zu verbieten.

Bei Verstößen gegen gesetzliche Vorgaben sollte den Einrichtungen sofortiger Lizenzentzug drohen, beispielsweise, wenn keine Ausweiskontrolle vor dem Verkauf erfolgte. Wir empfehlen weiterhin, bei jeder Abgabe gezielt per Checkliste nachzufragen, ob es jüngere Familienangehörige im Haushalt des Konsumenten gibt, also Kleinkinder oder Jugendliche. Das hilft, Risiken zu erkennen, kann eine Selbstreflexion des Konsumenten auslösen und erinnert überdies an das entscheidende elterliche Vorbild, was ja beim Thema Alkoholkonsum bundesweit bisher gescheitert ist. Ein Infoblatt oder ein „Beipackzettel“, der diese und weitere Risiken wie Schwangerschaft oder bestehende einschlägige Vorerkrankungen aufzählt, ist unseres Erachtens nicht gleichermaßen geeignet.

Economy: Es sind Maßnahmen zur Angebotsverknappung vorzusehen. Insbesondere sind über die Preise Anreize zu setzen, die den Konsum begrenzen. Diese Präventivmaßnahme ist leider gar nicht im Gesetzentwurf vorgesehen. Stattdessen droht, mit der zweiten Ausbaustufe durch die Freigabe in den Modellregionen Partikularinteressen der Industrie Tür und Tor zu öffnen, statt sich beispielsweise an dem System Maltas zu orientieren, welches auf nicht gewinnorientierte NGOs baut.

Engineering: Im Sinne einer Harm-Reduction (= Risikominimierung) ist nicht nur eine höhere Produktqualität von Cannabis zu gewährleisten, sondern es sind Grenzwerte festzulegen, die eine möglichst geringe Gefährdung bedeuten. Dies betrifft den THC-Anteil, die Abgabemenge auch das Verbot von Edibles. In diesem Sinne begrüßen wir, dass Edibles verboten sind, da mit ihnen eine massive Zunahme kleinkindlicher akzidenteller Ingestionsunfälle zu befürchten ist. Wir begrüßen auch die THC-Grenze von 10 Prozent für Heranwachsende. Gleichzeitig empfehlen wir dringend, die Altersgrenze über das Alter von 21 Jahren anzuheben, da die Gehirnentwicklung erst mit ca. 25 Jahren abgeschlossen ist. Weiterhin halten wir eine Abgabegrenze von 30 g für sachgerecht.

Evaluation: Die Maßnahmen sind fortlaufend zu evaluieren, insbesondere in Bezug auf die Auswirkungen auf den Konsum und die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Aus der Evaluation sollten klare Konsequenzen für notwendige Maßnahmen zum Gesundheitsschutz folgen.
Leider ist auch dieser Präventionsgedanke noch nicht ausreichend im Gesetzentwurf verwirklicht. Wichtig, aus kinder- und jugendmedizinischer Sicht, ist im Zuge der Evaluation auch Resilienzfaktoren bzw. Risikofaktoren zu untersuchen und Empfehlungen zur Resilienzentwicklung insb. auch im Elternhaus zu geben. Auch sollte gesetzlich klargestellt werden, dass die Entwicklung des Schwarzmarktes Teil der Evaluation ist. Dabei wird insbesondere darauf zu achten sein, dass der Schwarzmarkt nicht auf die unter 18-jährigen ausweicht.

Nicht verankert ist bisher, dass klare Konsequenzen aus der Evaluation zu ziehen sind. Erhöht sich wider den Erwartungen des Gesetzgebers der Konsum oder muss ein gestiegenes Suchtverhalten konstatiert werden, sollte aus Sicht des BVKJ konsequent gegengesteuert werden. Dazu empfehlen wir eine Befristung der Freigabe, wonach diese nur bei positivem Befund der Evaluation in Bezug auf Konsum und Morbidität weitergeführt wird. Ergeben sich hingegen negative gesundheitliche Auswirkungen des Gesetzes auf Kinder und Jugendliche, sollte ein Auslaufen der Freigabe zwingend vorgesehen sein. Wir möchten anregen, die kinder- und jugendärztlichen Praxen bei der Evaluation der gesundheitlichen Auswirkungen explizit einzubinden.

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ)

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Präsident: Dr. med. Michael Hubmann
Referent Gesundheitspolitik: Simon K. Hilber
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Referent Gesundheitspolitik

Simon K. Hilber
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