Stellungnahme Köln

Notwendigkeiten für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Hilfen für Kinder psychisch kranker und suchtkranker Eltern

Einige der Empfehlungen der von der Bundesregierung in der vergangenen Legislaturperiode eingerichteten Arbeitsgruppe Kinder psychisch und suchtkranker Eltern (Vgl. Bundesdrucksache 18/12780) wurden bei der Novellierung des SGB VIII und in Anpassungen des SGB V sowie untergeordneter Regelwerke berücksichtigt. Wichtige Grundlagen und nächste Umsetzungsschritte fehlen jedoch, so dass bis heute am individuellen Bedarf orientierte, sozialgesetzbuchübergreifende, familienorientierte Hilfen nicht strukturell verortet sind und somit bei den Betroffenen auch nicht ankommen.

Die durch die Pandemie bedingte Isolation vieler Familien, verbunden mit gesundheitlichen und finanziellen Bedrohungen und einer nach wie vor bestehenden Stigmatisierungsgefahr psychischer Erkrankungen und Suchterkrankungen, hat die Situation der betroffenen Kinder und Jugendlichen nochmals deutlich verschärft.

Wir unterstützen das [Statement des Bundesverbands für Erziehungshilfe e. V. (AFET) und des Dachverbands Gemeindepsychiatrie e. V.vollumfänglich, die noch ausstehenden Forderungen der Arbeitsgruppe in der nächsten Legislaturperiode zeitnah umzusetzen.

Neben den von den beiden Fachverbänden formulierten Prioritäten zu SGB-übergreifenden, komplexen und mischfinanzierten Leistungen, klaren rechtlichen Regelungen zur strukturierten, verpflichtenden Kooperation der beteiligten Systeme, der Entwicklung von kommunalen Gesamtkonzepten qualitätsgesicherter, rechtskreisübergreifender Hilfesysteme und der Einführung eines qualitativen Monitorings erscheinen uns als zentral für eine gelingende Umsetzung der AG KipkE-Empfehlungen:

- **Blick auf die Familie als Gesamtsystem:** Unabhängig davon, ob psychisch oder suchterkrankte Eltern oder Kinder im ambulanten oder stationären psychiatrischen oder psychotherapeutischen Kontext versorgt werden, sind die Wechselwirkungen auf Familienangehörige mit zu beachten und Hilfen aus dem Gesundheitswesen, der Kinder- und Jugendhilfe und Familienhilfe sowie ggf. weiteren Hilfesystemen (z. B. SGB IX, Frühe Hilfen etc.) zusammenzuführen. In erwachsenenpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Kontexten sollten Kinder von Patient*innen systematisch mitgedacht und in den Blick genommen werden, ebenso müssen erkrankte Eltern in kinder- und jugendpsychiatrischen und -psychotherapeutischen Kontexten berücksichtigt werden.
- **Interdisziplinäre Lotsen- und Ankerteams – Koordination und Vernetzung als eigene Leistung**: Die zentrale Bedeutung von Koordination und Vernetzung aller Leistungen für Personen mit schweren psychischen Erkrankungen und ihren Angehörigen ist über traditionelle SGB-Grenzen hinweg durch wissenschaftliche Evidenz gesichert (s. o.). Sie sollte daher als eigene Leistungsart für diese Personengruppe in allen Sozialgesetzbüchern verankert werden.
- **An den aktuellen Bedarfen der betroffenen Familien orientierte Bereitstellung und auskömmliche Finanzierung von integrierten Eltern-Kind-Diagnostik- und Therapieplätzen**
- **Finanzierung der Mehrpersonensettings ambulant, teil- und vollstationär:** Um eine integrierte Behandlung von Familienmitgliedern zu ermöglichen, ist es notwendig, deren Finanzierung über SGB V auch mit zwei oder mehr Indexpatientinnen sicherzustellen (für das (teil-)stationäre Setting bietet dazu die erfolgte Weiterentwicklung der OPS-Codes zum Eltern-Kind-Setting, auch mit der neuen Möglichkeit einer „bifokalen“ Behandlung von 2 Indexpatientinnen, eine gute Grundlage). Im Bereich der Prävention, d. h. wenn noch keine entsprechenden Diagnosen bei den Familienmitgliedern vorliegen, sollten familienbezogene komplexe Hilfeleistungen „SGB-säulenübergreifend“ (SGB V, SGB VIII, SGB IX etc.) gesetzlich ermöglicht werden.
- **Prävention:** Zentrales Ziel muss es sein, die Prävention manifester Erkrankungen von belasteten und gefährdeten Kindern psychisch erkrankter Eltern gezielt zu verbessern, indem geeignete komplexe Leistungen endlich etabliert und finanziert werden. Gleiches gilt umgekehrt für hochbelastete, aber ggf. noch nicht manifest erkrankte oder diagnostizierte Eltern psychisch erkrankter Kinder.
- **Fort- und Weiterbildung der beteiligten Berufsgruppen der unterschiedlichen SGB-Säulen mit Fokus auf einem gemeinsamen Fallverständnis**: Gelingende Kooperation ist auf ein gemeinsames Grundverständnis der jeweiligen Kompetenzen und Perspektiven an-gewiesen und profitiert von einer gemeinsamen Sprache.
- **Wissenschaftliche Begleitung / Forschung:** Auch wenn es bereits einige aussagekräftige deutsche Studien zur Situation von Kindern und Jugendlichen psychisch kranker Eltern, der Situation psychisch kranker Erwachsener als Eltern und auch als Paar sowie zu einzelnen Förderangeboten gibt, muss das sich verändernde rechtskreisübergreifende Handlungsfeld weiterhin beforscht werden.

Die Bedarfe der Kinder psychisch- und suchterkrankter Eltern und ihrer Familien dürfen in der nächsten Legislaturperiode nicht an den Rand der politischen Aufmerksamkeit gedrängt, sondern müssen zentral im Fokus gehalten werden. Erste Entwicklungen in eine positive Richtung der strukturellen, systemübergreifenden Regelversorgung der Zielgruppe sind erfolgt und müssen jetzt breiter etabliert und weiterverfolgt werden.

Die unterzeichnenden Institutionen stehen der Bundesregierung auch in der nächsten Legislaturperiode mit ihrer Expertise zur Umsetzung der Empfehlungen zur Verfügung.



Kontakt

- **Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie, Beratung und Familientherapie e. V. (DGSF)**
Dr. med. Filip Caby, Anke Lingnau-Carduck und Birgit Averbeck, averbeck@dgsf.org
- **Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK)**
Dr. Dietrich Munz, info@bptk.de
- **Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder psychisch erkrankter Eltern**
Prof. Dr. Sabine Wagenblass, sabine.wagenblass@hs-bremen.de
- **Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte BVKJ e. V.**
Dr. Thomas Fischbach, thomas.fischbach@uminfo.de
- **Children of mentally ill parents – network – CHIMPS-NET**
Prof. Dr. Silke Wiegand-Grefe, swiegand-grefe@uke.de
- **Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie**
Prof. Dr. Michael Kölch, praesident@dgkjp.de
- **Deutsche Gesellschaft für Psychologie e. V. (DGPs), Interessensgruppe Familienpsychologie in der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie**
Prof. Dr. Beate Ditzen, beate.ditzen@uni-heidelberg.de
- **Deutsche Liga für das Kind**
Prof. Dr. Sabine Walper, walper@dji.de
- **Marcé Gesellschaft für Peripartale Psychische Erkrankungen e. V.**
Dr. Luc Turmes, luc.turmes@lwl.org
- **NACOA Deutschland – Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien e. V.**
Frauke Gebhardt, gebhardt@nacoa.de
- **Systemische Gesellschaft – Deutscher Verband für systemische Forschung, Therapie, Supervision und Beratung e. V.**
Sascha Kuhlmann, kuhlmann@systemische-gesellschaft.de

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ)

Mielenforster Str. 2
51069 Köln
Telefon: 0221 – 68 909 0
E-Mail: info@bvkj.de

Präsident: Dr. med. Michael Hubmann
Referent Gesundheitspolitik: Simon K. Hilber
Telefon: 030 280 475 10
E-Mail: simon.hilber@bvkj.de

Lobbyregister beim Deutschen Bundestag: Registernummer R000638

Kontakt

Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ)
Präsident: Dr. med. Michael Hubmann
E-Mail: info@noSpam.bvkj.de
Internet: www.bvkj.de

Referent Gesundheitspolitik: Simon K. Hilber
Telefon: 030 280 475 10
E-Mail: simon.hilber@noSpam.bvkj.de

Lobbyregister beim Deutschen Bundestag: Registernummer R000638