Seit bald zwei Jahren gilt für die Menschen eine umfassende Eindämmungspolitik („containment“) mit breitem Testangebot, Kontaktverfolgung und Quarantäne. Die Dynamik der Omikron-Welle erfordert aber aktuell einen Strategiewechsel hin zu einem sehr viel gezielteren Schutz der Risikogruppen („protection“), den Politik und öffentlicher Gesundheitsdienst derzeit notwendigerweise auch tatsächlich vollziehen. Doch dies muss von klarer und sachlicher Kommunikation begleitet sein, um die Bevölkerung nicht zu verunsichern. Den Menschen muss erklärt werden, dass die Konzentration der Schutzmaßnahmen und der verstärkten Impfkampagnen auf Risikogruppen primär der Verhinderung schwerer Krankheitsverläufe, insbesondere in Risikogruppen, und letzlich auch der Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur dient. Es muss anerkannt werden, dass angesichts einer sich rasch verbreitenden, aber weniger virulenten Virusvariante dies bei dem breiten Impfschutz in der Bevölkerung, den wir in Deutschland trotz aller Impflücken auch bei Älteren haben, keine unkontrollierbaren Gefahren mit sich bringt. All dies bedeutet einen grundlegenden Kurswechsel, der politischer Führung, Erklärung und sachlicher Einordnung bedarf.
Es geht nicht mehr um eine nunmehr vollkommen illusorische Verhinderung jeder Infektion, sondern um den gezielten Schutz vor schwerer Erkrankung. Umfassende Kontaktnachverfolgung und Quarantäneanordnungen sind angesichts der Dynamik der Welle nicht mehr möglich und würden zudem die Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur gefährden. Eine Priorisierung der begrenzten PCR-Testkapazitäten für Risikobereiche, etwa Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, ist dringend erforderlich und bedingt auch eine Beendigung anlassloser Massentests, insbesondere in Schulen und KiTas, da sie keinen erkennbaren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten.
Der in vielen Bundesländern bereits angekündigte Verzicht auf Quarantäne in Schulen und KiTas ist ebenso richtig, denn Kinder und Jugendliche sind durch eine Infektion kaum gefährdet, wohl aber durch unnötige Unterbrechung ihres Schulalltags mit Sport und Freizeitaktivitäten. Die hohen Infektionszahlen in dieser Altersgruppe sind jedoch aus unserer Sicht kein Anlass zur Sorge, da das Auftreten von schweren Erkrankungsfällen in dieser Altersgruppe weiterhin gering ist. Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder sind durch die etablierten Hygienemaßnahmen ausreichend geschützt, wenn Erkrankte in Eigenverantwortung zu Hause bleiben, wie es auch vor der Pandemie üblich war. Das gilt nun umso mehr, da Eltern, die Angst vor einer Infektion ihrer Kinder haben, die Impfung ihrer Kinder ab dem 5. Lebensjahr nach STIKO-Vorgaben offensteht. Wir müssen mit klarer politischer Kommunikation so schnell wie möglich zu einem rationalen Umgang mit Kindern und ihren Gemeinschaftseinrichtungen zurückkehren.
Prof. T. Tenenbaum, Prof. J. Hübner, Prof. A. Simon, Prof. H.-I. Huppertz (DGPI)
Dr. P. Walger, Prof. U. Heudorf, Prof. W. Popp (DGKH)
Prof. N. Haas (DGPK)
Dr. T. Fischbach, Dr. S. Renz (bvkj)
**Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) / Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) / Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) / Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)**
Stellungnahme Köln
Aufruf von BVKJ/DGPI/DGKH/DGPK: Kommunikation des Strategiewechsels - jetzt
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ)
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Referent Gesundheitspolitik: Simon K. Hilber
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