Zum Gesetzentwurf
Die Schaffung eines neuen Bundesinstituts für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) wirft in der konkreten Form des Entwurfs Fragen bezüglich seiner Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit auf.
Schon die Namensgebung des Instituts ist aus Sicht des BVKJ nicht gelungen. Zum einen wäre es sinnvoll, den Präventionsgedanken möglichst weit zu fassen und nicht nur auf die Prävention in der Medizin zu beschränken. Gesundheitsprävention und -förderung sollte nach Möglichkeit soziale, ökonomische und umweltbedingte Faktoren, die die Gesundheit beeinflussen, mitberücksichtigen und ein solcher offener Ansatz sollte sich auch im Namen eines Instituts widerspiegeln. Zum anderen legt ein modernes Verständnis von Public Health bzw. öffentlicher Gesundheitskommunikation nahe, dass eine Kommunikationsstrategie im Sinne eines Top-Down-Ansatzes, bei der Experten Informationen vermittelten und das Volk als passiver Empfänger dieser Informationen „aufgeklärt“ wird, heute nicht mehr angebracht ist. Der BVKJ empfiehlt, eine Namensgebung, die als paternalistisch und belehrend verstanden werden kann, zu vermeiden.
Auch aus struktureller und organisatorischer Sicht weiß die Schaffung eines neuen Instituts in dieser Form nicht überzeugen. Es fehlt an einem erkennbaren Mehrwert gegenüber der derzeitigen Konstellation. Die politische Unabhängigkeit des Robert-Koch-Instituts (RKI) gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium sollte erhalten und gestärkt werden, da dies seine wissenschaftliche Glaubwürdigkeit sichert.
Die Übertragung der Zuständigkeiten für nicht übertragbare Krankheiten vom RKI auf das BIPAM wird in dem Gesetzentwurf nicht überzeugend begründet. Der BVKJ befürchtet, dass durch die neue Organisation von Zuständigkeiten etablierte Strukturen beim Infektionsschutz geschwächt werden könnten. Der Grenzziehung von übertragbaren und nicht übertragbaren Krankheiten fehlt es an Trennschärfe. Nicht nur vergangene Pandemien weisen auf die komplexe Verbindung zwischen infektiösen und nicht-infektiösen Krankheiten hin. Synergien zwischen Gesundheitsmonitoring, Gesundheitsberichterstattung, Gesundheitskommunikation und Gesundheitsförderung sind hier zu nutzen.
Die vorgesehenen Aufgaben können nach Überzeugung des BVKJ effektiv von bestehenden Einrichtungen wie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und dem RKI übernommen werden.
Dem neuen Institut werden ressortübergreifende Aufgaben zugestanden. So ist angedacht, die Abteilung für Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung aus dem Geschäftsbereich des BMFSFJ übernehmen. Es wäre aus Sicht des BVKJ zu begrüßen, wenn solche strukturellen Entscheidungen verbindlicher im Gesetzentwurf verankert würden.
Anforderungen an ein Institut zur Stärkung der Öffentlichen Gesundheit
Der BVKJ ist überzeugt, dass es notwendig ist, die Öffentliche Gesundheit in einem umfassenderen Gesetzeswerk grundlegend zu stärken und hier weitreichende und innovative Impulse zu setzen. Damit das neue Institut seine volle Wirkung entfalten kann, muss eine stärkere Vernetzung der Akteure der Öffentlichen Gesundheit in einem zukünftigen Institut verankert werden. Dabei sollte der Sachverstand derjenigen institutionalisiert einfließen, die bei der Umsetzung von Health Policy Verantwortung tragen, hierzu gehört insbesondere auch die Ärzteschaft.
In den Aufgaben eines Instituts zur öffentlichen Gesundheit sollte sich widerspiegeln, dass Prävention nicht nur die persönliche Aufgabe des Individuums ist, sondern Verhältnisprävention und damit die soziale, politische und wirtschaftliche Dimension mindestens ebenso wichtig ist. Keinesfalls darf sich ein Institut auf die drei Herausforderungen „Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenzerkrankungen“ beschränken. Ziel sollte vielmehr sein, eine gesunde Lebensweise aller Menschen zu fördern, ihre Gesundheit zu erhalten und gleichzeitig die gesundheitliche Chancenungleichheit zu verringern.
Präventive Maßnahmen sind deutlich zu intensivieren und insbesondere der Impfgedanke ist, auch mittels Kampagnen, besser in der Bevölkerung zu verankern. Hier ist an die Entwicklung zielgruppenspezifischer Kampagnen zu denken, die unterschiedliche Altersgruppen und soziale Schichten erreichen können.
Kinder- und Jugendpanel
Aus Sicht der Kinder- und Jugendmedizin wird es auch dringend notwendig sein, Mittel für den Aufbau eines Kinder- und Jugendpanels im Budget des RKI bzw. einem neuen Institut zu verankern, um unverzichtbare bundesweit repräsentative Daten zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen bereitzustellen. Nur so wird es möglich sein, auf der Basis wissenschaftlich fundierter Informationen Aussagen zu Trends der gesundheitlichen Lage von Kindern und Jugendlichen, insbesondere nach der Pandemie, zu treffen und gesundheitspolitische Entscheidungen und Maßnahmen in ihrem Sinne zu treffen. Die KiGGS-Welle 2 stammt aus dem Jahre 2017 – hier ist unbedingt eine Fortführung und Aktualisierung der Studie notwendig.
Kontakt:
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ)
Mielenforster Straße 2, 51069 Köln
Telefon: 0221/68909‐0
E-Mail: info@ bvkj.de
Internet: www.bvkj.de
Präsident:
Dr. med. Michael Hubmann
Vizepräsident*innen:
Angela Schütze-Buchholz
Dr. med. Stefan Trapp
Hauptgeschäftsführer:
Tilo Radau
Referent Gesundheitspolitik:
Simon K. Hilber
Tel.: 030 280 475 10
E-Mail: simon.hilber@ bvkj.de