Politik & Presse
25.06.2024 Stellungnahme

Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung (NotfallGesetz/NotfallG, 3.6.2024)

Vorbemerkung
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ) begrüßt eine Neuordnung der Notfallversorgung in Deutschland. Die Notfallversorgung, angefangen beim Rettungsdienst, über den vertragsärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst bis hin zu den Notaufnahmen, steht vor großen demographischen, medizinischen und gesundheits-ökonomischen Herausforderungen.

Die tatsächlichen medizinischen Bedarfe und der verantwortungsbewusste Einsatz von knappen ärztlichen wie nicht-ärztlichen Ressourcen müssen aus Sicht des BVKJ zur Leitschnur einer Reform werden. Für eine effektivere Nutzung der Ressourcen ist es erforderlich, dass Leistungen nicht mehr bedürfnisorientiert, sondern bedarfsorientiert erbracht werden.

Die Definition eines Notfalls erfolgt heute zu oft allein aufgrund der subjektiven Wahrnehmung des Betroffenen, nicht aufgrund einer objektiven medizinischen Einschätzung des Erkrankungsfalls und der damit einhergehenden Dringlichkeit. Sowohl die ärztlichen Bereitschaftsdienste als auch die Notfallambulanzen sehen in großem Maße Patient*Innen, die nicht akutmedizinisch oder notfallmedizinisch versorgt werden müssen. Dadurch sind die Wartezeiten für diejenigen Patientinnen und Patienten, die dringend auf die Hilfe in der Notfallambulanz und gegebenenfalls eine stationäre Behandlung angewiesen sind, oftmals übermäßig lang. Die Fehlinanspruchnahmen durch medizinisch nicht notwendige Konsultationen gefährden die Funktionsfähigkeit des Systems der Versorgung von echten Notfällen. Das Zeitbudget für den einzelnen Behandlungsfall ist aufgrund der Überlastung oftmals so gering, dass eine Gefährdung der Patientensicherheit nicht ausgeschlossen werden kann.

Eine Reform ist auch aus Versorgungssicht geboten. Heute ist es so, dass einige Patient*innen fast ausschließlich die Notfallversorgung ansteuern und dort auf beständig wechselnde Bereitschaftsärzt*innen oder Notärzt*innen stoßen, damit bleibt ihnen die Regelversorgung im ambulanten und stationären Bereich verwehrt und damit die höhere Qualität der Versorgung, die in einem engen und persönlichen Arzt-Patientenverhältnis liegt.

Die unkoordinierte und übermäßige Inanspruchnahme der Notaufnahmen und des ärztlichen Bereitschaftsdienstes ist zu beenden. Eine zukunftsorientierte Neuordnung der Notfallversorgungsstrukturen muss aufgrund der Mangelsituation aller Gesundheitsberufe, insbesondere bei Ärzt*innen, Pfleger*innen und MFA eine angemessene Zugangssteuerung der Hilfesuchenden einschließen. Auch verbesserte positive ökonomische Anreize scheinen daher unverzichtbar, um Leistungsempfänger zum verantwortungsbewussten Umgang mit ärztlichen Ressourcen zu incentivieren.

Diese grundsätzlichen Probleme sind bisher nur unzureichend in dem Gesetzentwurf adressiert.

Im Einzelnen:

1. Zu § 75 Absatz 1b SGB V Sicherstellungsauftrag der KV

Der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen wird ausgebaut. In der Notfallversorgung soll es insbesondere zukünftig möglich sein, eine Arbeitsunfähigkeit zu bescheinigen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollen zukünftig weiterhin „ein telefonisches und videounterstütztes ärztliches Versorgungsangebot 24 Stunden täglich auch durch Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin“ sicherstellen. Außerdem ist im Rahmen der Unterstützung für das INZ im Sektor der Kinder- und Jugendmedizin geplant, dass die KVen mit telemedizinische Konsilien nach § 367 oder telefonische Konsilien unterstützen können.

BVKJ-Position:
Angesichts eines ärztegruppenübergreifenden Mangels an ärztlichen Ressourcen ist eine Ausweitung des Sicherstellungsauftrags der KVen nicht sachgerecht.

Grundsätzlich sollte in allen Angebotsstrukturen der notdienstlichen Versorgung weiterhin auf die Nicht-Sprechstunden-Zeiten und nicht auf eine 24/7-Versorgung abgehoben werden, um Doppelstrukturen zu vermeiden.

Eine pädiatrisch fachkompetente telemedizinische oder digitale Beratungsstelle kann einen Bestandteil der zukünftigen Notfallversorgung darstellen, soweit dadurch nicht erforderliche Arzt-Patientenkontakte in Präsenz in Notdienstpraxen/Notaufnahmen vermieden werden. Ein telefonisches und videounterstütztes ärztliches Versorgungsangebot 24 Stunden täglich getragen „auch durch Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin“ geht jedoch an der Versorgungsrealität und den vorhandenen Kapazitäten vorbei. Kinder- und Jugendärzt*innen können nicht zusätzlich zum bestehenden ärztlichen Bereitschaftsdienst ein weiteres paralleles Versorgungsangebot schultern.
Nur bei einem kleinen Teil der kinder- und jugendmedizinischen Fragestellungen ist es möglich, diese allein auf einer Video-Einschätzung zu beurteilen. Im Regelfall bedarf es der persönlichen Vorstellung der Patienten. Die Videoberatung kann zur Gefährdungseinschätzung/ Triage bzw. zur Medikamentenberatung eingesetzt werden.

Die Durchführung von Telekonsilien im Rahmen der INZ gemäß § 367 SGB V ist nicht sachgerecht. In der Regel erfolgt die Beantwortung von Telekonsilien während der Randzeiten des Tages, wenn die Ärzt*innen nicht in die direkte Patientenversorgung eingebunden sind. Für die sofortige Kommunikation in Notfallsituationen rund um die Uhr im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin sind Telekonsilien kaum geeignet.
Eine Überforderung des Systems und eine klare Fehlsteuerung ist die Folge, wenn Arbeitnehmer zukünftig in den Notdienst geleitet würden, um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu bekommen. Jedenfalls die Bescheinigung des Betreuungsbedarfs von Kindern lehnt der BVKJ vehement ab. Diese Bescheinigungen sind keine Aufgabe der notdienstlichen Akutversorgung. Es ist Patienten zumutbar, eine normale Sprechstunde aufzusuchen. Die bestehende Regelung nach § 73 Abs. 2 Nr. 9 ist ausreichend, der entsprechende Halbsatz „die Feststellung und Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit sowie“ ist zu streichen. Davon abgesehen fordert der BVKJ, die Kinder-AU abzuschaffen, oder sie wenigstens der 3-Tage-Regelung im Erwachsenenbereich anzugleichen.

Die Vorhaltung von aufsuchenden Diensten ist nicht nur in der Pädiatrie, sondern ganz grundsätzlich abzulehnen. Sie schaffen Bedürfnisse, werden enorme Ressourcen binden, und werden genau entgegen der gesetzgeberischen Intention dazu führen, dass Haus- und Fachärzt*innen ihre Haus- und Heimbesuche einstellen, sodass wirklich immobile Patient*innen deutlich schlechter versorgt werden.

2. Zu § 75 Abs. 1c (neu) SGB V Ersteinschätzungsverfahren

Zur Terminvermittlung in Akutfällen soll eine Akutleitstelle der KV erreichbar sein. Hier soll nach einem bundesweit einheitlichen Ersteinschätzungsverfahren eine unmittelbare ärztliche Versorgung vermittelt werden können.

BVKJ-Position:
Der BVKJ begrüßt das Ansinnen, über die bundesweite Nummern 116 117 bzw. 112 ein einheitliches Ersteinschätzungsverfahren zu etablieren.

Strukturen einer pädiatrisch fachkompetenten Leitstelle müssen allerdings erst aufgebaut und die Finanzierung muss sichergestellt werden.

Das digitale Ersteinschätzungssystem muss dabei auf standardisierte und validierte Algorithmen zurückgreifen. Bei der Entwicklung und Einführung eines solchen Tools sind unbedingt das Know-how und die Erfahrungen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zentral einzubinden.

Aus Sicht des BVKJ hat ein solches System auch den gemeinsamen Tresen im Krankenhaus einzubinden, bzw. ist diesem vorzuschalten. Die Triagierung hat für den Versicherten verpflichtenden Charakter zu haben.

Hilfesuchende bzw. ihre Eltern sollten unbedingt auf die Regelversorgung verwiesen werden. Sonst läuft eine Terminvermittlungsstelle Gefahr, als niederschwellige Anlaufstation Fehlinanspruchnahmen zu fördern.
Dabei sieht der BVKJ vier mögliche Behandlungspfade, in die Akutleitstelle verweisen sollten:

  1. Es handelt sich um einen Notfall, der sofort in der Klinik oder im ärztlichen Notdienst behandelt werden muss, bzw. eine stationäre Behandlung in einer Klinik für Kinder- und Jugendliche bzw. Klinik für Kinderchirurgie erforderlich macht.
  2. Der Patient ist dringend behandlungsbedürftig und muss innerhalb der nächsten 24 Stunden gesehen werden – entweder in einer Praxis oder z.B. am Wochenende im ärztlichen Notdienst bzw. einem KINZ.
  3. der Patient ist behandlungsbedürftig, kann aber an die Regelversorgung verwiesen werden; die KV-Servicestellen machen Angebote zur weiteren Versorgung.
  4. der Patient ist im Grunde nicht behandlungsbedürftig und muss nicht an einen Arzt verwiesen werden.

Ein solcher viergliedriger Behandlungspfad, insbesondere die Nichtberücksichtigung im Notdienst, sollte in § 75 Abs. 1 c (neu) explizit vorgegeben werden.

3. Zu § 105 Absatz 1b SGKB V Kostenträgerschaft

Die Kosten der neuen Strukturen sollen je zur Hälfte von den Kassenärztlichen Vereinigungen und den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden. Der Beitrag der Privatversicherungen soll den Anteil der gesetzlichen Krankenkassen mindern, aber nicht den der Ärzteschaft.

BVKJ-Position:
Angesichts von Einsparungen von rund einer Milliarde Euro für die Kassen bei gleichzeitiger Ausweitung des Aufwandes für die Ärzteschaft ist es geboten, dass die Sicherstellung der laufenden Vorhaltekosten der neuen erweiterten Strukturen von den Kassen getragen werden. Wenigstens hat der Beitrag der Privatversicherung die Kosten auch für die Ärzteschaft zu mindern.

4. Zu § 123 SGB V Integrierte Notfallzentren

Es ist vorgesehen, integrierte Notfallzentren bestehend aus der Notaufnahme eines Krankenhauses und Notdienstpraxis mit zentraler Ersteinschätzungsstelle einzurichten. Die fachliche Leitung und Verantwortung für die zentrale Ersteinschätzungsstelle soll dem Krankenhaus obliegen, wenn in der Kooperationsvereinbarung nach § 123a Absatz 2 dies nicht anders geregelt ist. Eine Verweisung aus den Räumlichkeiten des Integrierten Notfall-zentrums heraus für soll nur nach einer separat zu vergütenden tatsächlichen ärztlichen Untersuchung erfolgen.

BVKJ-Position:
Der BVKJ hält es für dringend erforderlich, dass die zentrale Einschätzungsstelle an den INZ/KINZ nach den gleichen Schemata und Sachlogiken wie die standardisierten Ersteinschätzungsverfahren der Kassenärztlichen Vereinigungen Ersteinschätzungsleitstellen nach § 75 operieren. Andernfalls droht ein solches Angebot das Problem der fehlende Patientensteuerung zu verstärken. Insbesondere sind die oben genannten vier möglichen Behandlungspfade zu berücksichtigen.

Hilfesuchende, die mit einem von ihnen als dringend erachteten gesundheitlichen Anliegen selbständig ein Integriertes Notfallzentrum aufsuchen, sind regelhaft an die 116 117 zu verweisen. Es ist darüber hinaus dringend erforderlich, dass eine Verweisung aus den Räumlichkeiten des Integrierten Notfallzentrums heraus auch ohne tatsächliche ärztliche Untersuchung erfolgen kann. Es widerspräche dem verantwortungsbewussten Umgang mit ärztlichen Ressourcen, wenn am gemeinsamen Tresen nicht nach dem Delegationsprinzip auf Basis der Beurteilung einer geschulten Ersteinschätzungskraft in Verbindung mit einem zertifizierten Ersteinschätzungsverfahren rechtssicher entschieden werden kann. Das essentielle Anliegen, die bedürfnisorientierte Ansteuerung von INZ/KINZ einzuschränken, würde konterkariert.

Die Verpflichtung zur Ersteinschätzung sollte nicht auf Krankenhäuser mit INZ beschränkt sein, sondern auf sämtliche Krankenhäuser erweitert werden, die auf Grundlage von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V Notfälle behandeln.

Die fachliche Leitung und Verantwortung für die Ersteinschätzungsstelle hat während der Öffnungszeiten die Notdienstpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung zu tragen, außerhalb der Öffnungszeiten der Notdienstpraxis kann die Kooperationsvereinbarung nach § 123a Abs. 2 eine Verantwortung des Krankenhauses bestimmen.

5. Zu § 123a SGB V Einrichtung von Integrierten Notfallzentren

Zur Organisation der KINZ sollen die Kassenärztliche Vereinigung und der Krankenhausträger eine Kooperationsvereinbarung schließen. Die Notdienstpraxis hat mindestens an Wochenenden und Feiertagen von 9 bis 21 Uhr, Mittwoch und Freitag von 14 bis 21 Uhr und Montag, Dienstag und Donnerstag von 18 bis 21 Uhr zu öffnen. Kürzere Öffnungszeiten können festgelegt werden, soweit belegbar ist, dass die Öffnungszeiten unwirtschaftlich sind.

BVKJ-Position:
Als pädiatrischer Verband fordern wir dringend eine verbindliche Vereinbarung zwischen KV und Klinik, die die fachlichen und organisatorischen Erfordernisse, Bedingungen und Ressourcen der Partner vor Ort berücksichtigt. Der BVKJ begrüßt daher eine Regelung wonach die Kooperationsvereinbarung im Einvernehmen zu schließen ist.

Der BVKJ begrüßt auch die Beschränkung der Öffnungszeiten aufgrund von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen.

Darüber hinaus hält er es für dringend erforderlich, auch vorhandene ärztliche Ressourcen als weiteren Grund zu berücksichtigen.

In der Kinder- und Jugendmedizin sind gesonderte Regelungen bezüglich der angestrebten Dienstzeiten zu finden. Es darf keine Doppelstruktur während der Öffnungszeiten von Kinder- und Jugendarztpraxen entstehen. Öffnungszeiten am Wochenende zwischen 9 und 21 Uhr werden in vielen Fällen aufgrund eines Kinder- und Jugendärztemangels nicht zu schultern sein.

Darüber hinaus sollten existierende und bewährte Strukturen aus Kliniken mit Portalpraxen und KV-Dienst erhalten bleiben und maßgeblich in ein zukunftsfähiges KINZ-Konzept integriert werden.

6. Zu § 123b SGB V Integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche

Der Referentenentwurf sieht die Möglichkeit der Bestimmung von Standorten für Integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ) durch den erweiterten Landesausschuss vor. Dabei wird allgemein auf den Modus Notfallversorgung gemäß der vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Regelungen verwiesen.

BVKJ-Position:
Der BVKJ begrüßt eine ambulante Notfallversorgung spezifisch für Kinder und Jugendliche, die den Integrierten Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ) zugrunde liegt.

Conditio sine qua non jeder Regelung muss sein, dass die Sicherstellung der Notfallversorgung die vorhandenen personellen Ressourcen der ambulant tätigen Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte nicht überbeansprucht. Gleiches gilt für das nichtärztliches Personal, das bereits heute an der Belastungsgrenze arbeitet.

Zumutbarkeitsgrenzen der Dienstbelastung der teilnehmenden niedergelassenen Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzte, die nicht beliebig vermehrbar sind dürfen nicht überschritten werden. Eine realistische Beurteilung der vorhandenen ambulanten Kapazitäten bei niedergelassenen Pädiaterinnen und Pädiatern muss sich an den aktuellen Dienstbelastungen der Erwachsenenversorgung orientieren. Unter diesen Voraussetzungen ist die Einrichtung eines pädiatrischen KV-Notdienstes an einem KINZ nur in Ballungsgebieten realisierbar und nur dort auch sinnvoll.

Der BVKJ begrüßt, dass den Belangen der Kinder- und Jugendmedizin mit ihren begrenzten Ressourcen insoweit Rechnung getragen wird, als hier eine Kann-Bestimmung gefunden wurde. Er hält aber weitere Klarstellungen notwendig, damit eine Ausweitung von Dienstpflichten verhindert wird.

Aus Sicht des BVKJ wäre es zu begrüßen, wenn bereits im Zuge der Gesetzgebung eine Auswirkungsanalyse einerseits zum Bedarf und andererseits zu einer realistischen Einschätzung der vorhandenen ärztlichen Ressourcen und zur Anzahl der KINZ in Deutschland erfolgen würde.

Modul Kinder der Notfallstufenregelungen des G-BA

Eine flächendeckende Einrichtung von integrierten Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ) ist aus Sicht des BVKJ nur an Kliniken und Abteilungen für Kinder- und Jugendmedizin sinnvoll, die mindestens die Anforderungen nach Stufe 2 des § 25 (Modul Kinder) der Notfallstufenregelungen des G-BA erfüllen.

Diese Anforderungen sind im Einzelnen:
• Verfügungstellung einer Gesundheits- und Kinderkrankenpflegekraft im Präsenzdienst (24 Stunden an sieben Tagen pro Woche).
• Möglichkeit der gleichzeitigen intensivmedizinischen Versorgung von zwei lebensbedrohlich kranken Kindern am Standort.
• Vorhandensein einer Abteilung für Kinderchirurgie bzw. einer schriftlichen Kooperationsvereinbarung mit einer solchen Abteilung, die das Vorgehen bei operativ zu versorgenden Kindern und Jugendlichen regelt.
• 24-stündige Verfügbarkeit der Magnetresonanztomographie (MRT).
• Vorhaltung einer Hubschrauberlandestelle und Möglichkeit zur Patientenverlegungen auf dem Luftwege ohne Zwischentransport.

Der BVKJ fordert daher klarzustellen, dass diese erweiterten Voraussetzungen für die Einrichtung eines KINZ gelten müssen.

7. Zu § 19a Zulassungsverordnung für Vertragsärzte

Der Referentenentwurf sieht vor, dass bei der Festsetzung der offenen Sprechstunden das Bedürfnis einer ausreichenden vertragsärztlichen Versorgung in Akutfällen zu berücksichtigen sei.

BVKJ-Position:
Der BVKJ dringt darauf, grundsätzlich den tatsächlichen medizinischen Bedarf zu Maßstab zu machen, nicht die subjektiven Bedürfnisse von Patienten.

8. Weiterer Regelungsbedarf (§ 23c SGB IV)

Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG, Aktenzeichen B 12 R 9/21 R) und weitere Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung, die die Tätigkeit durch Poolärzte im Notdienst als abhängige und somit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einstufen, gefährden die Notfallversorgung.

Bereits heute haben einige Kassenärztliche Vereinigungen aufgrund dieser Entscheidung ihre Bereitschaftsdienste reduzieren müssen. Arbeitsverträge mit Poolärzten wären aufgrund höherer Kosten und Aufwände für die KV und ihrer finanziellen Unattraktivität für die Ärzte keine Lösung. Auch würden Arbeitszeitgesetze es notwendig machen, eine größere Anzahl von Ärzten in den Notdienst zu binden. Dafür stehen die notwendigen ärztlichen Ressourcen nicht zur Verfügung. Die zusätzlichen Belastungen, die mit dem Not- und Bereitschaftsdienst einhergehen, machen die Niederlassung für junge Ärzte weniger ansprechend.

Der BVKJ fordert, analog zur Ausnahmeregelung des § 23c Absatz 2 SGB IV für Notärzte im Rettungsdienst eine entsprechende Regelung für Ärzte umzusetzen, die nebenberuflich im Notdienst tätig werden. Sinn der Sozialversicherungspflicht ist es insbesondere, Beschäftigung im unteren Lohnbereich abzusichern. Diese Notwendigkeit besteht weder bei Klinikärzten, noch Ärzten als Empfängern von Versorgungsbezügen.

Formulierungsvorschlag für § 23c Abs. 2 (Einfügung fett):
Einnahmen aus Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst und ärztliche Tätigkeiten im Notdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen sind nicht beitragspflichtig, wenn diese Tätigkeiten neben

  1. einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder des vertragsärztlichen Notdienstes oder
  2. einer Tätigkeit als zugelassener oder angestellter Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung oder
    3. von Ärztinnen und Ärzten als Empfänger von Versorgungsbezügen
    ausgeübt werden. Für Tätigkeiten, bei denen die Einnahmen nach Satz 1 nicht beitragspflichtig sind, bestehen keine Meldepflichten nach diesem Buch.

Kontakt:
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen e.V. (BVKJ)
Mielenforster Straße 2, 51069 Köln
Telefon: 0221/68909‐0
E-Mail: info@bvkj.de
Internet: www.bvkj.de

Präsident:
Dr. med. Michael Hubmann

Vizepräsident*innen:
Angela Schütze-Buchholz
Dr. med. Stefan Trapp

Hauptgeschäftsführer:
Tilo Radau

Referent Gesundheitspolitik:
Simon K. Hilber